Anton Warum Weltsprache

Günter Anton, Ehrenpräsident der Union für die Internationale Sprache IDO (reformiertes Esperanto)

Springstr. 40
D-06366
KÖTHEN/Anhalt
Deutschland

BRAUCHT DIE WELT EINE WELTSPRACHE ?

Verwirklicht Englisch den Traum von einer internationalen Sprache ?


Die Welt ist klein geworden im Zeitalter modernster Verkehrsmittel. Modernste Kommunikationsmittel ermöglichen schnellste Verständigung und Information rund um den Erdball. Der moderne Massentourismus führt jährlich Millionen Menschen in andere Länder. Die Wirtschaft und der Verkehr sind international verflochten. Immer mehr übernationale Organisationen entstehen.
Staaten vereinigen sich zu größeren Verbänden, wie zum Beispiel die Staaten Europas zur Europaeischen Union. Die Zeit ist gekennzeichnet durch Integration. Fehlt dieser Welt, zumindest dem vereinten Europa, nicht eine gemeinsame Sprache, die nach dem Fall der Grenzbarrieren auch die Sprachbarrieren beseitigt?

Oder ist diese gemeinsame Sprache als zweite für alle nicht bereits da, nämlich das Englisch ? Eine deutsche Zeitung schrieb, dass über zwei Milliarden Menschen, gut ein Drittel der Erdbevölkerung, laut Schätzungen routinemäßig mit der englischen Sprache in Berührung kommen. Es heißt, dass jeder vierte Erdbewohner inzwischen Englisch fließend und kompetent spricht. Also ist die internationale Sprache da und der Traum der Esperantisten oder der Anhänger anderer "Welthilfssprachen"( ein bei Anhängern von Intersprachen unbeliebter, weil irreführender Ausdruck) wird durch Englisch verwirklicht, oder? Sicher ist das Englische in unserer Zeit von größter Bedeutung. Obige Zahlen beweisen, dass Englisch gegenwärtig die hauptsächliche Weltverkehrssprache ist und dass nicht Wirtschaft und Verkehr, sondern auch der Tourist Nutzen davon hat. Dennoch bezweifle ich, dass Englisch die künftige "offizielle" zweite Sprache für alle sein wird. Dafür gibt es verschiedene Gründe.

Weil Sprachfragen Machtfragen sind, gibt es Widerstand gegen die Rolle des Englischen als allgemein verbindliche zweite Sprache für alle. So gibt es von vielen und auch großen Völkern Widerstand gegen die heutige Vormachtstellung der angelsächsischen Völker und besonders der USA in der Welt, und dieser Widerstand wird weiter wachsen. Starken Widerstand gibt es auch gegen das Bemühen, die amerikanische Lebensweise (und damit auch die englische Sprache) den Völkern der Welt aufzudrängen. Zwar ist das Bemühen zur Zeit nicht erfolglos, aber es wird letzten Endes Zum Scheitern verurteilt sein. Es gab in der Geschichte verschiedene Völker, die großen Einfluss in der Welt oder in Teilen der Welt hatten und die in diesen geschichtlichen Perioden auch ihre Sprachen in anderen Weltteilen verbreiteten. Ich denke da an die Griechen und Römer in Europa, an die Spanier, Franzosen und schließlich die Engländer. Frühere Weltreiche sind zerbrochen, die Geschichte ist weiter geschritten und wird auch zukünftig nicht stillstehen.

Nach dem zweiten Weltkrieg ist das britische Weltreich zerbrochen, das zusammen mit dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt Großbritanniens wesentlich zur Verbreitung des Englischen beigetragen hat. Heute sind die USA wirtschaftlich, technisch und politisch die Weltmacht Nummer 1, und so wird Englisch als bedeutendste Weltsprache weiter durchgesetzt. Schon aber zeigen sich neue Notwendigkeiten, nämlich die fortschreitende Rationalisierung wissenschaftlich-technischer, wirtschaftlicher und anderer Lebensprozesse. Das erfordert auch die Rationalisierung der weltweiten Kommunikation. Eine zweite Sprache für alle ist notwendig, aber sie muss bei zweckentsprechender Anwendbarkeit in allen Lebensbereichen schnell und vollkommen erlernbar sein. Das kann nur eine auf wissenschaftlichem Wege geschaffene regelmäßige und in Grammatik und Orthographie auf das Notwendige konzentrierte neutrale Sprache sein.

Was ist eine neutrale Sprache?

Es ist eine Sprache, die keinem Volk als Nationalsprache zu eigen ist. Englisch aber ist Muttersprache für hunderte Millionen Menschen. Wählte man Englisch als zweite Sprache für alle aus, würden diese Menschen einen zweifachen Vorteil haben. Erstens brauchten sie die internationale Sprache als Zweitsprache nicht zusätzlich zu lernen, und zweitens würden sie diese Sprache weit besser beherrschen als alle anderen, die sie als Fremdsprache erlernen.

Wer Englisch gelernt hat, weiß wie viel Mühe dazu gehört, die Sprache bis zur notwendigen Vollkommenheit zu erlernen, und die Ergebnisse des Sprachunterrichts in den Schulen sind so, dass die meisten Schüler nach Abschluss der Schule nur eine sehr eingeschränkte Kommunikationsfähigkeit in der Fremdsprache besitzen. Mit den Schulkenntnissen allein ist es oft nicht leicht, Engländer, Amerikaner oder Australier zu verstehen, wenn sie fließend und ungezwungen reden. Schwierigkeiten im Verstehen behindern aber die Kommunikation oder machen sie unmöglich.

Es gibt nur eine Lösung, die internationale Zweitsprache muss für alle eine zu lernende Fremdsprache sein. Die Zweitsprache für alle Menschen kann in sinnvoller Weise nur auf wissenschaftlichem Wege aus den verbreitetsten europäischen Sprachen heraus entwickelt werden. Eine solche Sprache sollte sehr regelmäßig aufgebaut sein, möglichst keine Ausnahmen enthalten, mit einer auf das Notwendige beschränkten Grammatik sowie einer einfachen und regelmäßigen Wortbildung und Rechtschreibung ausgestattet sein. Schreibung und Aussprache müssen übereinstimmen, es darf keine unterschiedliche Aussprache von Schriftzeichen geben. Eine solche Intersprache sollte auf dem Grundsatz größtmöglicher Internationalität des Wortschatzes aufgebaut sein. Wörter werden nicht erfunden, sondern die Wortwurzeln werden den verbreitetsten europäischen Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch , Russisch und Spanisch entnommen. Das geschieht so, dass jeweils die Wortwurzel in die internationale Sprache übernommen wird, die den meisten Europäern schon durch ihre Muttersprache bekannt ist. Das ist möglich durch Wortverwandtschaft infolge der gemeinsamen indo-europäischen Herkunft oder durch Fremdwörter und Internationalismen. Man wird also über die Intersprache mit den Fremdwörtern in der eigenen Muttersprache besser vertraut. Goethe hatte ja nicht ohne Grund gesagt: "Wer keine fremden Sprachen kennt, weiß nichts von seiner eigenen." Übrigens gibt es auch Wörter wie etwa Pronomen, die in jeder Sprache anders sind. Man wählt dann in der Intersprache das meistbekannte aus oder geht auf das Latein zurück.

Allerdings kann man einwenden, dass selbst eine solche internationale Sprache nicht im strengsten Sinne neutral ist, nämlich nicht für die Völker Afrikas oder Asiens, da es sich faktisch um eine europäische Sprache handelt. Das stimmt, aber es lässt sich keine "Weltsprache" gleichsam aus allen großen Sprachen der Welt zusammenmischen. Immerhin wäre eine solche Zweitsprache für die Völker Europas, Amerikas und für Australien ein großer Fortschritt im Sinne der Annäherung der Völker und würde sicher auch in Afrika und Asien große Akzeptanz finden.

Viele Leser werden denken, dass ich dem weltbekannten Esperanto das Wort reden will. Ja und nein, weil das Esperanto zwar schon eine annehmbare Lösung des Problems einer internationalen Sprache bietet, es aber dennoch nur unvollkommen den oben genannten Forderungen an eine solche entspricht.

Es enthält künstlich geschaffene, erfundene Wörter. Die nach dem Prinzip der größtmöglichen Internationalität ausgewählten Wortwurzeln sind in den mit einem System von Vor- und Nachsilben geschaffenen Wörtern oft nicht mehr erkennbar. So heißt zum Beispiel das Wort "sana" gesund. Mit der Vorsilbe "mal" wird das Gegenteil gebildet, nämlich "malsana" (krank). Die Silbe "-ul-" bezeichnet eine Person, also ist der "malsanulo" der Kranke. Da die Silbe "-ejo-" einen Ort für etwas ausdrückt, ist schließlich

"la malsanulejo" das Krankenhaus. Diese Ableitung. erfolgt sehr regelmäßig, führt aber zu überkonstruierten, künstlichen Wortbildungen, in denen die internationale Wortwurzel nicht mehr zu erkennen ist. Ein Kritiker sprach einmal vom Puzzlespiel der Wortbildung im Esperanto.

In dem 1907 erschienenen reformierten Esperanto, das unter dem Namen Ido bekannt ist, heißt Krankenhaus "hospitalo". Dieses Wort ist vielen Europäern bekannt.

Die Mängel des Esperanto sind in seinem Wesen begründet, wie es im so genannten "Fundamento" festgelegt wurde. So kann sich die Sprache eigentlich nur durch die Schaffung notwendiger neuer Wörter entwickeln, nicht aber durch Überwindung seiner Mängel, denn das "Fundamento" ist "netuŝebla" (unberührbar). Dass die Sprache trotz unübersehbarer Mängel die größte Zahl von Anhängern und fleißigen Propagandisten aufweist, hat wohl im wesentlichen zwei Gründe.

1. Der Schöpfer des Esperanto, Dr. L. Zamenhof, hat mit seiner Sprache eine Ideologie verbunden, den Esperantismus, eine Art Kosmopolitismus.

2. Esperantisten fühlen sich nach dieser Ideologie als Weltbürger. Sie sehen sich als eine Art Volk über den Völkern, dessen Heimat "Esperantujo" ist, das Esperantoland.

Mit Hilfe des Esperanto ringen die Esperantisten um Völkerverständigung, Frieden, Freundschaft, Brüderlichkeit und Humanität, die auch Toleranz beinhaltet. Dennoch waren begeisterte Esperantisten oft sehr intolerant gegenüber Anhängern anderer Intersprachen, besonders gegenüber denen des Ido als reformiertem Esperanto. Ablehnung der Konkurrenz führte oft zu entschiedener Intoleranz. Wie zu erkennen, ist Esperanto nicht das einzige, wenn auch erfolgreichste, Projekt für eine internationale Sprache. Es gibt eine Menge von Projekten für eine Intersprache, die aber bis auf ein paar ganz ohne Anhänger und also ohne Erfolg geblieben sind. Heute spielen neben Esperanto noch Ido und Interlingua eine Rolle. Letzteres ist eine Intersprache, die wie eine romanische Sprache wirkt und die das vor allem romanische Sprachgut fast unverändert aus den nationalen Sprachen übernommen hat, damit allerdings auch Schwierigkeiten und Unregelmäßigkeiten der Orthographie und Grammatik der Ursprungssprachen.

Anlässlich der Pariser Weltausstellung 1900 bildete sich die Delegation für die Einführung einer internationalen Hilfssprache mit dem Ziel, die sprachliche Vielfalt, die auch den Zielen und der Arbeit der Wissenschaft hinderlich war, durch eine zweite Sprache für alle, und so auch für die Gelehrtenwelt, zu kanalisieren. Die internationale Wissenschaftlerdelegation war hochkarätig besetzt, so gehörten ihr unter anderem der bedeutende dänische Sprachwissenschaftler Otto Jespersen sowie der (spätere) deutsche Nobelpreisträger für physikalische Chemie Wilhelm Ostwald an. Die Delegation prüfte in mehrjähriger Arbeit verschiedene Intersprachprojekte und sprach sich am Ende für Esperanto aus, mit der Maßgabe, dass bestimmte notwendige Reformen der Sprache durchzuführen seien. So akzeptierte man das von dem französischen Professor Couturat vorgelegte Reformprojekt des Esperanto. Obgleich Esperantoschöpfer Zamenhof anfangs erklärt hatte, er wolle sich jeder Entscheidung der Delegation beugen, lehnte er schließlich das Reformprojekt ab. So erschien es unter dem Namen Ido (idiomo di omni - Mundart für alle). Im Ido sind die Mängel des Esperanto überwunden. Die Sprache ist entwicklungsfähig und wird seit 90 Jahren in Wort und Schrift praktiziert. Es erscheinen Zeitschriften in Ido, und die Sprache verfügt über eine eigene Literatur. Die Idisten treffen sich zu Kongressen und Konferenzen.

Ein Vergleich zwischen Esperanto und Ido zeigt die Unterschiede:

Esperanto: Tio kion la homaro bezonas de longe, estas komuna lingvo por ĉiuj homoj en la mondo kiel dua lingvo.
Ido: To quon la homaro bezonas depos longe, esas komuna linguo kom duesma linguo por omna homi.
Esperanto: Idistoj kaj Esperantistoj agas por tiu ĉi celo.
Ido: Idisti ed Esperantisti agas por ca skopo.

Ein zweiter Grund mag erklären, warum Esperanto trotz der Vorzüge des Ido bis heute wesentlich weiter verbreitet ist als dieses. Die meisten Menschen, die eine konstruierte Intersprache lernen, tun dies nicht unter sprachwissenschaftlichen Gesichtspunkten. Für sie ist entscheidend, wie verbreitet die Sprache ist und welchen kommunikativen Nutzen man davon hat.

So gesehen bietet Esperanto die meisten Vorteile. Es ist auch ein Vorteil der Sprache, dass sie am bekanntesten ist. Man trifft öfter auf Esperanto.

Dennoch erlernen immer häufiger Esperantisten Ido, weil sie dessen Vorzüge erkennen. Vielleicht ist heute die Beschäftigung mit einer internationalen Sprache für viele vor allem ein interessante Hobby, das einem weltweite Kontakte bringt, tatsächlich aber ist sie mehr. Das Wirken für die offizielle Einführung einer internationalen Sprache als zweiter für alle ist Wirken für gesellschaftlichen Fortschritt auf dem Gebiet der Kommunikation. Dabei wird letzten Endes nicht entscheidend sein, wie groß die auf dem Propagandawege erzielte Zahl der Anhänger oder Sprecher dieser Sprache ist, entscheidend kann letzten Endes nur die sprachliche Qualität sein.

Ansonsten hätte Englisch die weitaus meisten Sprecher.

Für Interessierte lohnt es, sich mit Ido bekannt zu machen.

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